2 Tage nach meiner Pensionierung, rief mich Fredi Moser an, ob ich mit ihm ein Wagen aus England abholen möchte. Fredi kenne ich aus der Schulzeit, er war mein «Hoflackierer» in meiner «Blauphase», di bis heute anhält. In den über 50 Jahren unserer Bekanntschaft haben wir schon vieles zusammen unternommen, meist fahrzeugtechnischer Natur. Doch dieses Erlebnis sollte diesen Rahmen sprengen.
Ich sagte sofort zu, ohne gewusst zu haben, was mich erwartet, ich hatte nun ja endlich viel Zeit. Zu uns gesellte sich Alois Willimann, genannt «Wisel», der Formel-1 Spezialist, der dieses Auto bereits vor einem halben Jahr für die beiden Käufer erprobte und für kaufenswert erachtete. Der 2. Käufer ist Toni Seiler, ein Lackiermeister in Bonstetten und Privatrennfahrer, mit sehr viel Erfahrungen und Erfolgen mit seinen Lola`s und über 700 PS starken Corvette`s.
Wir machten uns am Sonntag, den 20. Dezember mit Bus und Anhänger via Calais mit der Fähre nach Dover, auf nach Birmingham, wo wir das Fahrzeug am Montag erstmals bestaunen konnten.
Dass zwischenzeitlich die Grenzen zu Frankreich abgeriegelt wurden, wussten wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht…!
Fröhlich und gut gelaunt machten wir uns mit unserer wertvollen Fracht auf nach Dover. Auf der Autobahn wurde uns nun durch Leuchtbalken bewusst, dass sich ein Problem ergeben sollte, dass uns noch einige Nerven kosten würde. Dover wurde gesperrt! Wir mogelten uns nach Canterburry, da ein Durchkommen nach Dover unmöglich war. Dort versuchten wir in einem rasch gefundenen Hotel unsere Lage zu sichten. Verlangt wurde ein Covid-Test, jedoch war die Situation vermutlich politischer Natur (Brexit), dass die Franzosen den Zoll praktisch dicht machten. 10-tausende von LKW`s wurden auf der Autobahn gestoppt, mit einem Abstand von wenigen Zentimetern aneinander gereiht, damit keiner ausbrechen konnte. Unsere Weihnachtsfeiertage schwammen uns davon…; wir unternahmen alles, um aus diesem Schlamassel hinauszukommen. Sogar eine Rückführung des Wagens und Heimreise mittels Flugzeug wurde zu einer Option. Mit viel Bangen und Glück konnten wir am 24.12. die Grenze in Folkestone zum Eurotunnel passieren und kamen dadurch fast rechtzeitig zum Weihnachtsfest zuhause an. Die gesamte Story zu erzählen, würde diesen Rahmen sprengen…; es hat geklappt.
Dieser wunderschöne F1-Rennwagen, den besagten Shadow DN 1, 1973 von Jacky Oliver pilotiert, musste nun auf Vordermann gebracht werden, damit im historischen Oldtimergrandprix von Monaco gefahren werden durfte.
Es war ein grosses, ambitiöses Ziel, dieses Abenteuer. Neue Tanks, drei an der Zahl, mussten aus den USA eingeflogen und äusserst mühevoll eingebaut werden. Sämtliche tragenden Teile mussten kontrolliert und geprüft werden. Alle Lager, Bremsen, Reifen mussten erneuert werden, damit der beinahe 50-jährige Oldtimer diese parforce Leistung ohne Panne erbringen konnte. Diverse Ersatzteile mussten nachgefertigt werden, damit bei einem Ausfall möglichst alles 2-fach vorhanden war. Möglichst jeder Eventualität sollte so entgegengetreten werden können.
Als Dankeschön für meinen eher aufregenden Englandtrip, lud mich Fredi nach Monaco ein, wo ich als Mädchen für Alles bei diesem super Event hautnahe in den Boxen den ganzen Event miterleben und helfen durfte. Alles Mögliche musste zum Gelingen dieses Rennens beigebracht werden. Mit von der Partie war auch Bruno Schaffner, einem äusserst sympathischen und versierten Kenner der Materie und Scene. Er war der Wegbegleiter und Mentor seit x-Jahren von «Wisel», ein überaus eingespieltes Team. Durch die grosse Rennerfahrung im Oldtimersport, auch in Monaco selbst, war Bruno unerlässlich und massgebend für das Gelingen mitverantwortlich.
Mein Abenteuer begann bereits am Montag mit dem Verlad von drei weiteren Rennwagen, einem Talbot, Bugatti und Maserati, die dasselbe Ziel hatten. Am Dienstag war dann die Zuladung des Shadows inkl. etwa 350kg Ersatzteilen und sonstigem Equipment, bestens organisiert von Fredi, der in Rudolfstetten seine diversen Oldtimerrennwagen und sonstigen «Spielzeuge» in einer traumhaften Garage à jour hält. Nach der Abfahrt mit «Götti`s» grossen feudalem LKW ging es Richtung Genua, wo wir im Wagen auf einer Tankstelle übernachteten, eine Premiere für mich. Weiterreise am Mittwoch, Ankunft in Monaco und Ablad der Fahrzeuge, Übernahme und Einrichten der Boxe.
Am Donnerstag die gefürchtete Wagenabnahme und die dadurch erforderlichen Massnahmen am Nachmittag. Am Freitag das freie Training, was für Toni eine zweifache Premiere bedeutete, nämlich die Pilotierung des Shadows und den absolut keinen Fehler zulassenden Stadtkurs von Monaco. Das Auto konnte lediglich eine Woche zuvor in Italien kurz Probegefahren werden, da beinahe alle verfügbaren Circuits wegen Covid-19 geschlossen waren; wirklich ein Abenteuer! Er meisterte seine Aufgabe mit Bravour, erreichte er am Samstag doch den sagenhaften 8. Startplatz in einem wahrlich sehr illustren Feld, auch von einigen ex-Formel-1 – Haudegen, wie zum Beispiel Jean Alesi und Renè Arnaud, der sein 12-Zylinder-Ferrari von Niki Lauda and Bande schleuderte und nicht mehr zum Rennen erscheinen konnte; der Wagen war zu stark beschädigt, als dass dieser bis zum Rennen hätte repariert werden können.
Beim Shadow machten sich währen der Qualifikation nach 10 Runden massive Benzinprobleme bemerkbar, welche nun analysiert und bis zum Rennen fachgerecht und professionell behoben werden mussten. Das grosse Ziel der Rennteilnahme war in Gefahr. So durfte ich als «Handlanger» zusammen mit Bruno und Wisel die Lösung mitverfolgen; es wurde eine externe zusätzliche Benzinpumpe eingebaut, damit der «Catch-Tank» nie lehrlaufen konnte. Um Mitternacht waren die Arbeiten perfekt abgeschlossen. Völlig alleine marschierten wir zufrieden durch ein menschenleeres Monaco, für einen Samstag eine beinahe ehrfürchtig schaurige Stimmung in dieser sonst so pulsierenden Metropole.
Der Wagen war nun bereit für ein spannendes Rennen.
Toni machte alles richtig, riskierte genug und doch nicht zuviel, damit er nach 18 stark geforderten Runden seinen 8. Schlussrang verteidigen konnte. Für eine Premiere eine riesengrosse Leistung, kompliment!
Alle Beteiligten in und um das Team waren begeistert, das Ziel Oldimer-Grandprix Monaco 2021 ist erreicht und glücklich beendet worden.
Besten Dank an alle Beteiligten, besonders an Fredi und Toni, dass ich bei diesem Abenteuer dabei sein durfte